Gesundheit hat viele Wege – und alle sind richtig

Das Thema „Anerkennung“ der Abnahme in Bezug auf die aufgebrachte Eigenleistung ist ja leider immer wieder ein Thema. Wer mit OP abnimmt, wird oft direkt in die Schublade „Du hast ja nichts dafür getan“ gesteckt. Wer Medikamente erhält, hört nicht selten: „Damit hätte ich das auch geschafft.“

Gesellschaftliche Wahrnehmung und Vorurteile

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Adipositas ist eine vom deutschen Gesetz anerkannte, chronische Krankheit, die man übrigens auch durch eine Gewichtsabnahme nicht loswird. Leider steckt die gesellschaftliche Anerkennung und Aufklärung zu diesem Thema noch immer in den Kinderschuhen. Besonders schade finde ich, dass man sich solche Sprüche häufig sogar von ebenfalls Betroffenen anhören muss, vor allem, wenn diese es „ohne fremde Hilfe“ geschafft haben.

Zum Thema Anerkennung sollten wir endlich anerkennen, dass Adipositas eine Krankheit ist, die nicht zwingend eigenes Missmanagement bedeutet. Sie kann sich zudem selbst verstärken, denn Übergewicht kann Ursache für weitere Gewichtszunahme oder fehlende Abnahme sein. Gerade bei Menschen mit einer langen Diätkarriere gibt es fast immer auch eine verhaltenspsychologische oder neurologische Komponente, zum Beispiel Binge Eating, Essen als Kompensation oder, häufig in Kombination, ADHS bzw. Neurodivergenz. Übergewicht ist in sehr seltenen Fällen eine bewusste Entscheidung.

Für die alleinige Definition einer chronischen Krankheit braucht es keine weiteren Komorbiditäten, also keine zusätzliche Krankheit oder Medikamente, die zum Übergewicht geführt haben. Auch ohne diese Faktoren sind die Ursachen vorhanden.

In aller Deutlichkeit: Zur Linderung (weil wir von Heilung nicht sprechen können) einer chronischen Erkrankung ist keine Eigenleistung erforderlich. Eine schulmedizinische Behandlung ist völlig legitim, egal, was andere sagen. Man muss sich weder schämen noch rechtfertigen, auch wenn sogar ich das manchmal tue.

In anderen Bereichen ist das selbstverständlich. Niemand würde sagen: „Warum nimmst du gegen dein Asthma Medikamente? Atme doch einfach, es ist doch genug Luft da!“ Oder darauf vertrauen, dass Diabetes einfach von alleine verschwindet, anstatt Insulin zu substituieren (ja, ich weiß, dass das bei Typ 2 anders sein kann).

Im Bereich der psychologischen Erkrankungen ist diese Akzeptanz leider noch nicht angekommen. Hier findet immer noch eine Schuldumkehr statt, Betroffenen wird direkt oder indirekt die Verantwortung für ihre Situation gegeben. Wie oft müssen sich Menschen mit Depressionen anhören, sie sollen einfach mehr rausgehen oder sich mal zusammenreißen? Bei Adipositas ist es ganz ähnlich, auch hier gibt es körperliche und psychologische Ursachen.

Zusammenhalt statt Abgrenzung

Und genau deshalb wäre es so wichtig, dass wir Betroffenen untereinander zusammenhalten.
Gerade in sozialen Medien wird oft die eigene Leistung betont, indem man sich von anderen abgrenzt, zum Beispiel durch Aussagen wie „Ich habe es ohne OP geschafft“ oder „Ich brauchte keine Medikamente“. Damit wird aber, oft unbewusst, ein falscher Vergleich geschaffen. Es entsteht der Eindruck, als gäbe es „bessere“ und „schlechtere“ Wege zur Abnahme, dabei führen viele Wege zum Ziel und keiner davon ist weniger wert.

Wir sollten uns gegenseitig unterstützen, statt zu bewerten. Jeder, der sich seinem Körper, seiner Gesundheit und seiner psychischen Belastung stellt, leistet Großes, egal, mit welchen Mitteln. Jeder Schritt in Richtung Gesundheit zählt, und jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Grenzen und seine eigene Stärke.

Ich freue mich für jeden, der es schafft, sein Gewicht zu reduzieren, und wünsche allen, egal auf welche Weise, dass sie es beibehalten können. Der Rest ist eine ganz persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung.


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