Mythos: Wer eine Magen-OP bekommt, hat ein 2- bis 4-fach höheres Risiko, Suizid zu begehen

Triggerwarnung: Der Artikel enthält Zahlen und Statistiken zu Suizidrisiken, psychischen Belastungen und Vorerkrankungen. Diese Informationen können verunsichern und sind nicht für jeden geeignet. Bitte beachten: Es handelt sich um Studienergebnisse, die nicht vorhersagen, was individuell passiert. Jeder Mensch ist anders und das Risiko hängt von vielen Faktoren ab.

Mythos widerlegen und über Interpretation aufklären

Ja, ich weiß, heikles Thema. Aber heute habe ich meinen „Aufklärungstag“ und da ich auch das gerade mal wieder gelesen habe, war es mir ein Bedürfnis, darauf mal einzugehen. Denn das wird leider tatsächlich so verbreitet – meistens von „OP-Gegnern“, da in der Tat in Studien operierte gegenüber nicht operierten Patienten 2- bis 4-mal so häufig Suizid begingen.

Wichtige Klarstellung zur Studieninterpretation

Ganz am Anfang sollte man klarstellen, dass die Interpretation der Studie oft falsch wiedergegeben wird. Die Studien sagen nicht, dass die Operation selbst das Risiko eines einzelnen Patienten erhöht, nach der bariatrischen OP Suizid zu begehen. Vielmehr zeigen die Daten, dass Suizid in der Gruppe der operierten Patienten insgesamt häufiger vorkommt als in der Gruppe der nicht-operierten Adipösen. Das ist ein entscheidender Unterschied: Die Operation selbst ist nicht die Ursache, vielmehr spielen bereits bestehende Faktoren wie Vorerkrankungen, psychische Belastungen und andere Risikofaktoren eine zentrale Rolle.

Ausgangslage der Patienten vor der Operation

Menschen, die für eine Operation in Frage kommen oder operiert werden, haben in der Regel eine andere Ausgangslage als nicht operierte Adipöse. Sie bringen häufig mehr Vorerkrankungen mit, insbesondere psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen oder Substanzmissbrauch – oftmals nicht diagnostiziert – und bei diesen Menschen ist die Suizidrate generell deutlich höher, unabhängig von Adipositas oder Operation. Um genau zu sein laut Studienlage 10- bis 20-mal höher. Das bedeutet, dass ein großer Teil der beobachteten höheren Suizidraten in der OP-Gruppe auf diese bereits bestehenden Belastungen zurückzuführen ist.

Belastungen nach der Operation

Darüber hinaus entstehen nach der Operation zusätzliche Belastungen, die das Risiko weiter erhöhen können: Identitätsprobleme, Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild, z. B. aufgrund hängender Haut, unerfüllte Erwartungen und der Verlust von Ess-Bewältigungsstrategien, die vorher als Coping dienten. Essen als Kompensation fällt weg, was bei vielen Patienten zu einer Verschiebung auf andere Bewältigungsstrategien oder sogar zu einer erhöhten Suchterkrankungsrate führen kann. Diese wiederum haben ein 10- bis 20-mal höheres Risiko als Menschen ohne Suchterkrankung.

Vergleich und Gruppenunterschiede in den Studien

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Vergleich, den die Studien ziehen. In den meisten Studien werden Adipöse ohne Gewichtsabnahme den operierten Patienten nach schneller, hoher Gewichtsabnahme gegenübergestellt, was Äpfel mit Birnen vergleicht. Operierte Patienten sind, wie schon gesagt, meist schwerer adipös, haben mehr Vorerkrankungen und verlieren ihr Gewicht sehr schnell, während die nicht-operierten stabil bleiben oder nur langsam abnehmen – das bringt natürlich auch entsprechende Begleitprobleme mit sich.

Es gibt auch Studien, die Übergewichtige Personen versus Personen nach hoher Abnahme ohne OP betrachten. Hier war im Vergleich zu den Patienten, die nicht abgenommen haben, die Suizidrate bis zu zweimal höher. Im Umkehrschluss könnte man also sagen, dass dieses „2-fach“ sowohl in der Gruppe mit als auch ohne OP nach Abnahme vorhanden ist.

Größe der Studiengruppen

Zudem spielt die Größe der Gruppen eine Rolle. In einer der größten Studien waren etwa 35.000 Patienten operiert und knapp 700.000 nicht operiert, die Operierten machten also weniger als fünf Prozent der Gesamtpopulation aus. Kleine Gruppen sind anfälliger für Verzerrungen, weil Ausreißer den Schnitt stärker beeinflussen, während große Gruppen stabilere Werte liefern.

Fazit zur Interpretation der Daten

Insgesamt zeigt sich also gemäß der Studienlage, dass die erhöhte Suizidrate bei bariatrisch operierten Patienten nicht bedeutet, dass die Operation selbst Suizid verursacht. Vielmehr reflektiert sie die Zusammensetzung der Patientengruppe, bestehende psychische Vorerkrankungen und die psychischen Belastungen, die durch den schnellen Gewichtsverlust und die damit verbundenen Veränderungen noch verstärkt werden – was im Übrigen bei großer Abnahme ohne OP ganz ähnlich sein könnte (aber das wurde natürlich nicht untersucht ;))

Disclaimer

Die in diesem Artikel dargestellten Informationen wurden von der Autorin zusammengetragen und dienen ausschließlich der allgemeinen Wissensvermittlung. Sie ersetzen keine individuelle medizinische oder psychologische Beratung und es wird kein Anspruch auf vollständige Richtigkeit erhoben. Die aufgeführten Studien spiegeln Gruppenrisiken wider und sind nicht direkt auf einzelne Personen übertragbar. Bei psychischen Problemen, Suizidgedanken oder Fragen zu einer bariatrischen Operation sollte unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden (z. B. Ärztin/Arzt, Psychologin/Psychologe oder Krisenhotline).


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