Ich lese immer wieder, dass man mit GLP‑1, in diesem Fall Mounjaro, „nur“ 20 % seines Gewichts verlieren kann und dann sei Schluss, weil das in der Studie als durchschnittlicher Gewichtsverlust angegeben ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn man sich das Ergebnis genauer anschaut, denn man ist hier selbst in der Verantwortung.
Ich habe mir deshalb die Studiendesigns der maßgeblichen Studien angesehen, insbesondere die SURMOUNT‑2‑Studie. Um zu beurteilen, ob 20 % Gewichtsverlust realistisch sind, muss man Ausgangsgewicht und Zielgewicht betrachten.
Ausgangsgewicht und BMI der Studienteilnehmer
Die Teilnehmer der SURMOUNT‑2‑Studie hatten unterschiedliche Ausgangs-BMIs, von Übergewicht bis zu Adipositas Grad III. Der mittlere BMI lag bei rund 36, das bedeutet, dass der Großteil der Teilnehmenden adipös war. Die Studie zeigt deutlich: Je höher das Ausgangsgewicht, desto mehr Kilogramm konnten die Teilnehmer tendenziell abnehmen, während Personen, die bereits näher am Normalgewicht waren, entsprechend weniger verloren. Eine genaue prozentuale Aufteilung nach BMI-Klassen wird in den veröffentlichten Studienunterlagen nicht angegeben, daher können wir nur die allgemeine Verteilung und die Tendenz interpretieren.
Was die 20 % Aussage bedeutet
Wenn wir von 20 % Gewichtsverlust sprechen, sagt das nichts darüber aus, wo der Teilnehmer danach tatsächlich landet. Die Studie zeigt, dass der mittlere Gewichtsverlust nach 72 Wochen bei rund 13–15 % lag, gleichzeitig gibt es Teilnehmer, die deutlich mehr verloren haben.
Je geringer das Ausgangsgewicht war, desto geringer war auch der Prozentsatz des Körpergewichts, den die Teilnehmer verloren haben. Personen, die bereits näher am Normalgewicht waren, konnten entsprechend weniger abnehmen. Manche verloren weniger, weil sie sonst schon im Normalbereich gelandet wären.
Die Studie begann bei Personen mit BMI 25. Zum Beispiel, wenn jemand 85 Kilogramm wog bei 1,74 Meter Körpergröße, was einem BMI von etwa 28 entspricht, würde ein 10–15 %iger Gewichtsverlust 8–13 Kilogramm entsprechen. Das Endgewicht läge bei 72–77 Kilogramm, also gerade im Normalbereich oder leicht darüber.
Je näher man dem Normalgewicht kommt, desto geringer wird das Defizit, wenn man den Grundumsatz nicht berechnet. Regulär ist anzunehmen, dass sich das Ernährungsverhalten der Teilnehmer nicht automatisch angepasst hat, also unabhängig vom Gewicht ungefähr bei der gleichen Kalorienzufuhr blieb. Daher hatte der Durchschnitt wahrscheinlich ein moderates Kaloriendefizit.
Studienzeitraum und individuelle Unterschiede
In der SURMOUNT‑Studie lag das durchschnittliche Körpergewicht der Teilnehmer bei 105 Kilogramm. Angenommen, diese Person hat 20 % ihres Gewichts verloren, entspricht das 21 Kilogramm. Auf 72 Wochen umgerechnet ergibt das ein tägliches Defizit von etwa 321 Kalorien. Man sieht also, dass bei konstanter Kalorienzufuhr die Abnahme geringer ausfallen würde.
Die Studie ging über 72 Wochen. Stark übergewichtige Teilnehmer haben nach der Studie vermutlich weiter abgenommen, aber die Studie erfasst nur 72 Wochen. Das heißt, es wird auch Teilnehmer gegeben haben, die innerhalb der 72 Wochen weniger als 20 % verloren haben, weil ihr Zielgewicht noch nicht erreicht war. Wer nach der Studie weitergemacht hat, könnte durchaus mehr als 20 % verloren haben, das wird aber in der Studie nicht abgebildet.
Unterm Strich kann man nicht nur die 20 % sehen, man muss die Studie und die Gesamtkonstellation betrachten. 20 % als Richtwert haben keine Aussagekraft für den Einzelnen.
Personen mit hohem Ausgangsgewicht haben in der Studie tendenziell mehr als 20 % verloren, während Teilnehmer mit niedrigem Ausgangsgewicht entsprechend weniger abnahmen. Diese Teilnehmer erreichen schneller ihren Setpoint und haben ein geringeres Defizit. Die Menge der Abnahme in Prozent hängt also vom Ausgangsgewicht ab.
Dazu kommt die Studiengröße von 2.539, wovon die Hälfte ein Placebo bekam. Je kleiner die Studiengruppe ist, desto stärker beeinflussen einzelne Ausreißer den Durchschnitt. In einer großen Studie mit tausenden Teilnehmern gleichen sich extreme Werte teilweise aus, der Mittelwert spiegelt dann eher den typischen Effekt. In einer kleinen Studie kann dagegen ein Teilnehmer, der deutlich mehr oder deutlich weniger Gewicht verliert, den Mittelwert stark verschieben.
Bei der SURMOUNT‑5‑Studie, Semaglutid vs. Mounjaro, lag der durchschnittliche Gewichtsverlust bei 20 %, während er in der SURMOUNT‑1 mit mehr Teilnehmern, von denen etwa 1.250 Mounjaro erhielten, ebenfalls untersucht wurde. In der SURMOUNT‑5‑Studie waren es insgesamt 751 Personen, wovon nur die Hälfte Mounjaro bekam und das erklärt die oft zitierten 20 %.
Das gilt nicht nur für den Mittelwert, sondern auch für Prozentangaben wie „20 % Gewichtsverlust“. Bei wenigen Teilnehmern kann es passieren, dass die Zahl nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung ist, sondern stark von Einzelfällen geprägt wird.
Es gibt keinen festen 20 %-Setpoint, der automatisch erreicht wird. Das ist subjektiv und hängt unter anderem von Faktoren wie Setpoint-Theorie, Kaloriendefizit und Stoffwechselanpassung ab.
Kurz gesagt: Mehr als 20 % Gewichtsverlust ist möglich, erfordert aber weiterhin Eigenverantwortung, Geduld und gegebenenfalls Anpassungen von Ernährung und Lebensstil. Das Plateau ist nicht automatisch erreicht, sondern hängt stark von individuellen Faktoren ab.

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